Künstlerbücher kann man in verschiedene Kategorien einteilen: Malerbücher, Pressen­druck, Objektbuch, Buchobjekt, Artist’s Book – die Frage ist, ob uns diese Einteilung den Zugang erleichtert?

Die hier gezeigten Künstlerbücher von Marta Colombo sind ebenso wie ihre weiteren Ar­bei­ten (siehe „Raum.Zeit.Gefühl.“, Aus­stel­lung bei per-seh Nov. 2012 – Jan. 2013) Ausdruck ihres Themas, dynamische Beziehungen zwischen Orten und Menschen zu vertiefen. Stets wird der Rezipient ermutigt, seinen eigenen Standort einzunehmen und sich neu zu verorten. In den Büchern wie auch in ihren Collagen arbeitet Marta Colombo mit Bildern und Textfragmenten. So betont sie  übersehene Details, die oft und gerne leise und poetisch im Trubel un­ter­gehen. Auto­bio­gra­phi­sches kommt dabei nicht zu kurz, es entsteht ein Zusammen­hang zwischen italienischen Kathedralen und deutschen Profan­bauten – Ausdruck des ständigen Reisens zwischen den Kulturen der Italienerin, die in Deutschland lebt. Auch sind die eingesetzten Stilmittel oder Metho­den so vielfältig wie die Papiere, auf denen sie entstehen.

Sabrina Buchholz

 

Guglie di Milano –

Die Türme von Mailand

 

In ihrer aktuellen Serie „Guglie di Milano“ geht Marta Colombo immer wieder von der Spitze des Mailänder Doms aus. Sie analysiert ihn aus unterschiedlichen Blickwinkeln, zeichnet, fotografiert, sammelt Abbildungen, bearbeitet ihn mit dem Computer, montiert ihn auf dem Papier und bearbeitet ihn zuletzt analog durch Überzeichnungen. Mit rasch gezogenen Linien betont sie die Geometrie, einzelne Winkel und den gotischen Aufbau des Mailänder Doms – immer ausgehend vom Verhältnis eines Details zu seiner Umgebung.

Ständig ändert sich dabei die Perspektive – eingefügte Ausschnitte von Stadtplänen bewirken, dass man nicht mehr frontal oder seitlich auf das Dargestellte blickt, sondern von oben herab. Immer ist der Betrachter gefordert, einen eigenen Standpunkt einzunehmen, sich selbst zu verorten. Doch geht es dabei nie allein um formale Analysen, wichtig sind Marta Colombo inhaltliche Verknüpfungen. Beispielsweise montiert sie den Mailänder Dom auf ein Polaroid des am Duisburger Hafen gelegenen Ludwigsturms und erweitert diesen in einer weiteren Arbeit wiederum mit einem Brückenstück, das einen Teil der Kanäle in Mailand ziert. Das Wasser steht hier symbolisch als Verbin­dungs­glied zwischen weit voneinander entfernten Orten, deren Distanz durch das Prinzip der Montage überbrückt wird.

In ihren Arbeiten stellt Marta Colombo Beziehungen zwischen Standpunkten her, die nicht nur ihre persönlichen Erfahrungen wiederspiegeln, sondern darüber hinaus stets den Betrachter animieren, die auf dem Papier hergestellten Verbindungen zwischen den Objekten mit Inhalt zu füllen.

 

Linda Schröer

Dortmunder Kunstverein