Susanne Knaack bezeichnet ihre Werke zunächst nur als „Seestücke“. Die Arbeits­titel, so könnte man meinen, lassen bereits erahnen, was einen erwartet. So scheint man doch zuerst Schwarz-Weiß-Foto­grafien von bewegter See zu erkennen. Beim näheren Betrachten aber erkennt man die Bilder als Malerei, als virtuos vollzogene Malerei: Wie ist die tosende See, die spritzende Gischt, das atemberaubende Auf und Ab der Wellenlandschaft so überzeugend und realitätsnah gemeistert? Warum ist dennoch in ihnen eine so große kontemplative Stille enthalten, die an die „Seascapes“ des Foto­grafen Hiroshi Sugimoto denken lassen?

Susanne Knaacks Arbeiten sind als konzeptuelle Malereien zu fassen:

Nicht nur die Reihung oder das Tableau deuten als ein wichtiges Merkmal darauf hin, sondern die Titelgebung birgt bereits einen wichtigen Hinweis: Sind es „See­stücke“ oder „Sehstücke“?

Der Schaffensprozeß jedoch ist der wesentlichste Indikator: Susanne Knaacks „See­stücke“ sind Schüttbilder. Die Farbe wird nicht mit dem Pinsel in klassischer Manier aufgetragen, sondern gezielt geschüttet und durch gelenkte Bewegung des Bildträgers seinem Lauf, der Durchmischung, des Auf­einanderprallens und der Abstoßung überlassen.

Parallelen zu Jackson Pollocks gelenktem Zufall der „Drip-Paintings“, auch „Action Paintings“ genannt, tun sich auf. So auch der Hinweis auf das „Allover Painting“ der amerikanischen Nachkriegsmoderne durch das zum Ausschnitthaften mutierende Hoch­format, das die Künstlerin anstatt eines traditionellen landschaftstypischen Querfor­mats nutzt.

Susanne Knaacks verschieden große Male­reien konstruieren eine Wirklichkeit, die per se nicht existiert, die uns dennoch im Detail so bekannt scheint, dass wir sie als Abbild der Realität begreifen. Diese Arbeiten lehren uns das Sehen, nicht nur im physiologischen Sinne, sondern auch im übertragenen. Die „Seestücke“ werden zu „Seh­stücken“.

 

H. N. Semjon