Der Duktus der Malerin Susanne Knaack ist eindringlich und einzigartig. Kamen ihre „Seestücke“ bisher schwarz-weiß daher, tritt Farbe und damit eine neue Dimension in ihr Werk. Alles, was wir bisher über ihr Werk zu wissen meinten, erfahren wir neu in ungewohnter Intensität. Die blaue Stunde, besungen nicht nur im Abendlied des Christian Morgenstern, lässt den Mond vor unserem inneren Auge schweben – auch weiße Pigmente auf blauem Grund ermöglichen uns, auf eine Reise in unser Inneres zu gehen. Geschickt werden wir herausgefordert. Sehen wir wirklich einen Mond oder bewegen wir uns in der abstrakten Malerei, die kein reales Motiv meint?

In der Kurzgeschichte „Im Land der Umbranauten“ von Christoph Meckel scheinen die Landschaften von Susanne Knaack - insbesondere in ihrer blauen Phase – beschrieben zu sein. Zwischen Tagland und Nachtland gelegen, gelingt dort keine eindeutige Zuordnung der einzelnen Landschaften. Die Grenzen verschieben sich in geringen Nuancen von Tag zu Nacht zu Morgen, und die Dämmerung wird zur allumfassenden Weltmacht erklärt. Es gibt Berge, Wasser, Seen … alles ist in Bewegung, es bewegt sich nach privatem Gutdünken und ist daher nicht eindeutig zu beschreiben. Der Beobachter ist zum dauernden Umzeichnen seiner eben erst gemachten Eindrücke gezwungen, würde er eine Landkarte erstellen wollen. In der Geschichte wird daher geraten, sich keine feste Landkarte vorzustellen sondern vielmehr eine „eigene Reisekiste, die man zu einem Zwanzigstel gefüllt, denken soll.“ Diese Kiste wird dann bei der Reise durch das Land durcheinander gewirbelt, und der Inhalt ist bei jedem Nachsehen und jedem Ort ein scheinbar anderes Ergebnis vorlegen. So ergeht es auch dem Rezipienten bei den Gemälden von Susanne Knaack. Im Land der Umbranauten haben die losen Stücke der Kiste die Veränderung selbst vorgenommen. Und in den Gemälden wurde uns diese Offenheit durch die Künstlerin übergeben.

Kennt man den Schaffensprozess von Susanne Knaack, ergibt sich spontan die Parallelität zwischen ihrer Arbeitsweise und der geschilderten Reisekiste. In ihrem bisherigen Œuvre standen die Grisaille-Landschaften, die teils in zarten, teils in kräftigen Grautönen daher kommen, im Vordergrund. Mit ihnen konnte der Betrachter Berg- und Meerlandschaften assoziieren. Den Malprozess der Bilder von Susanne Knaack, den Sebastian Preuss so trefflich für ihre schwarz-weißen Gemälde beschrieben hat, verwendet sie jetzt, um den Prozess mit einer Farbe - dem indigoblau - neu zu erarbeiten. Dieser Prozess ist ganz dem gelenkten Zufall unterworfen. Die Farbe verbindet sich mit dem Malgrund-Schicht um Schicht entsteht das Bild. Und erst die bewusste Entscheidung der Malerin definiert das Bild als vollendet – immer auf der Suche nach dem ultimativen Landschaftsbild.

Es ist ein großer Schritt vom Unbunten zur Farbe zu gehen, den Susanne Knaack gewagt hat. Damit ist ein neuer Kosmos für sie und den Betrachter erschlossen worden. Dennoch bleibt sie ihrer Arbeitsweise, ihrer einzigartigen Handschrift und damit ihrem eigenen Stil unverkennbar treu. Was wie ein Paradoxon klingen mag:  Es entsteht Ton-in-Ton-Malerei voller Farbintensität.

Wie schon in ihrer Schwarz-Weiß-Malerei ist Susanne Knaack auch bei den aktuellen Bildern der Tradition der Romantiker verbunden, die ihren wichtigsten Aspekt im Engagement für die Emotionen sahen. Das von Caspar David Friedrich konstatierte Primat der Empfindungen, auch in der Kunst und besonders im Sujet der Landschaft, gilt für Susanne Knaack gleichermaßen. Friedrich, der sich auf den Gedanken von Novalis bezieht, dass jeder Maler das malen solle, was er in sich sehe, und nicht nur das, was vor seinem leiblichen Auge steht, kann mit diesem Ansatz zur emotionsgeladenen Bildschöpfung Pate gestanden haben. Jedoch ist Susanne Knaack nicht so eindeutig einer Richtung zuzuordnen,  sie kann ebenso als Vertreterin des Informel gelten, in dem die Arbeitsweise durch den Rhythmus  zu geistigen Impulsen führt. Es entstehen mit gelenkten Gebärden innere Vorstellungen. Susanne Knaack berührt die Grenzen zur Abstraktion, sie schafft eine Landschaft, die erst durch ihr Zutun eine Landschaft ist. Und nur sie bestimmt, wann eine Landschaft vollendet ist.

Das Seestück als Sonderform des Sujets Landschaftsmalerei zieht sich durch alle Kunstformen bis hinein in die zeitgenössische Malerei. Anders als beispielsweise bei Gerhard Richter, geht es bei Susanne Knaack nicht um das Abbild der Wirklichkeit. Nur scheinbar entfalten ihre Bilder eine naturalistische Wirkung. So bleibt die Hoffnung, dass sie sich – trotz erreichter Perfektion – noch lange voll und ganz auf die Suche nach ihrer Vorstellung des ultimativen Landschaftsbildes begibt.

Sabrina Buchholz

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