Die hier präsentierten Skulpturen bilden eine vom Künstler unter dem Sammel-Begriff des „Gehäuses“ oder auch der Be-Hausung“ getroffenen Auswahl seiner Arbeiten. Tatsächlich werden in mir beim Betrachten dieser Skulpturen  Assoziationen an organisch gewachsenes „Gehäuse“ geweckt – an Schalen, Muschel- oder Krebsgehäuse, an Rinden, Schoten, Kapseln und ähnliches. Aber ich denke auch an Haut. Und ich glaube, das ist es, was mich so hautnah und physisch berührt an Ulrich Krämers Stahl-Arbeiten. Sie lassen die Härte und Belastbarkeit des Materials zugleich weich und verletzbar erscheinen.

Ulrich Krämer bearbeitet Stahl und andere Metalle. Dabei geht er hinein in das Material, durchlöchert und durchbohrt es, zerstört seine Oberfläche. Er liebt es, sich der Widerständigkeit des harten kalten Materials zu stellen. Der Kampf mit dem Material und die leidenschaftliche Auseinandersetzung im Schaffensprozess wirken derartig transformativ, dass Zartheit, Weichheit, Hingabe und Atmosphärisches aus seinen Werken zurücksprechen.

Ulrich Krämer entstammt einer „Stahl-Region“, dem Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet steht im Wandel. „Kultur durch Wandel, Wandel durch Kultur“, so lautet der Slogan der zukünftigen Kulturhauptstadt. Für mich verkörpert das Werk Ulrich Krämers auf stimmigste Weise diese Kraft der Verwandlung. Er formt aus seelenlosem Material, aus genormten funktionalen Profilen und Blechen Skulpturen, die dem Material ihre Seele zurückverleihen. Die es sprechen lassen von Schmerz, Sehnsucht, von Liebe und Geborgenheit – von der Suche nach dem Ganzen, nach der Einheit von Inhalt und Form, von Materie und Geist.

Im Gespräch fanden wir gemeinsam den Begriff von „luftigen Volumina“ sowie das Bild einer belaubten Baumkrone, besser noch, eines Fischschwarmes, um den Charakter seiner künstlerischen Zielsetzung zu veranschaulichen. Seine Formen sind klar und körperhaft, zugleich bricht er sie auf und lässt sie durchsichtig erscheinen.

Er kann sich mit glatten Oberflächen nicht anfreunden, sie stoßen ihn eher ab. In der Zerstörung und im „Kaputten“ findet er zugleich Heilung und Schönheit. Den Prozess der Destruktion versteht er als universelle Regel, die jeder Transformation vorausgeht. Das mag zunächst befremdlich klingen, möglicherweise sogar widersinnig, so spricht er oft von einem zärtlichen „Kaputt-Machen“. Doch beim Nach-Sinnen und Nach-Spüren erkennen wir etwas vom wahren Wesen des Künstlers. Das vermag, hinter und unter glatte geschönte Oberflächen zu blicken, den gerade das interessiert, was oft übersehen wird, der Differenzen erträgt und Widersprüche gelten lassen kann. Wir begegnen der Unkonventionalität, dem Anderen, dem Non-Konformen – der künstlerischen Eigen-Artigkeit.

Miriam Giessler